Im Zusammenhang mit Lerntheorien und dem allgemeinen Umgang mit Pferden hast du sicher schon einmal etwas von negativer und positiver Verstärkung gehört. Es ist wichtig, diese Begriffe richtig zu verstehen, um Missverständnisse zu vermeiden, richtig zu interpretieren und dann auch korrekt einzusetzen. Ganz häufig ist es nämlich so, dass diese Begriffe als gut (positive Verstärkung) oder schlecht (negative Verstärkung) bewertet werden. Wenn wir uns jedoch die Theorie hinter der Konditionierung, Verstärkung und Bestrafung an sich anschauen, kann das nicht funktionieren. Warum?

Die Theorie hinter der Konditionierung und Verstärkung
Eine Reaktion unsererseits auf ein Verhalten des Pferdes kann auf zwei Arten ausfallen: verstärkend oder bestrafend. Wie wir Menschen auch verknüpfen Pferde mit dieser Reaktion eine bestimmte Konsequenz, die auf ein Verhalten resultiert. Wird ein Pferd nach einem Verhalten belohnt, verknüpft es etwas angenehmes mit dem Verhalten. Wird es bestraft, wiederum etwas unangenehmes. Diese Konditionierung nennt man auch Stimulus-Response-Lernen, bei der die Reiz-Reaktions-Verbindung eine zentrale Rolle spielt.
Eine bestimmte Verhaltensweise wird mit einer bestimmten Reaktion in Verbindung gebracht.
Eine Verstärkung hat also immer zum Ziel, durch einen angenehmen Ausgang (eine angenehme Konsequenz) ein bestimmtes Verhalten zu fördern. Wenn wir nun sagen, dass es statt positiver und negativer Verstärkung eine addierende und subtrahierende Verstärkung gibt, wird dies vielleicht noch deutlicher:
Addierende (positive) Verstärker wären zum Beispiel ein Futterlob, der Einbau einer Pause oder Entspannung aber auch ein Lobwort. Bei der positiven Verstärkung wird etwas HINZUgegeben.
Beispiele für subtrahierende (negative) Verstärker sind wiederum die WEGnahme von Druck an Zügel, Schenkel, Longe aber auch körperlichen Drucks vom Boden aus, der durch deine Muskelanspannung oder gezielten Fokus deines Blicks erzeugt wird. Dabei gehen wir natürlich davon aus, dass durch diesen Druck zuvor weder Stress, Leid noch Schmerzen ausgelöst wurden! Vielmehr geht es bei diesem Druck darum, sich an der natürlichen Kommunikation innerhalb der Pferdeherde zu orientieren. In so einer Herde wird nämlich auch durch Mimik und Gestik, aber auch durch den eigenen Körperraum kommuniziert und damit die negative Verstärkung genutzt. Weicht ein Artgenosse schon auf eine mimische Veränderung hin dem Raum, den das ranghöhere Pferd einnimmt, wird dieser körperliche Druck sofort weggenommen.
Du merkst – negative Verstärkung hat keinesfalls etwas mit Bestrafung zu tun. Ganz im Gegenteil: Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen uns, dass Lernverhalten durch Verstärkung gefördert wird, Bestrafungen dies jedoch hemmen oder sogar vollständig ausblenden können.
Worin liegt genau der Unterschied zwischen Bestrafung und Verstärkung?
Wie bereits erwähnt soll Verstärkung ein bestimmtes Verhalten fördern, die Verbindung zwischen einem Verhalten und einer angenehmen Konsequenz daraus schaffen. Eine Bestrafung wiederum zielt darauf ab, ein bestimmtes Verhalten auszulöschen und die Motivation und den Antrieb, dieses Verhalten erneut zu zeigen, zu unterbinden. Ein bestimmtes Verhalten hat eine unangenehme Konsequenz.
Auch hier gibt es die positive (addierende) und negative (subtrahierende) Bestrafung. Ein Beispiel für eine positive Bestrafung ist die Hinzugabe eines Strafreizes wie der Schlag mit der Gerte bei einem unerwünschten Verhalten. Die Entnahme eines positiven Effektes wie die Wegnahme von Futter, Aufmerksamkeit oder soziale Interaktion sind Beispiele für eine negative Bestrafung.
Wenn du dir diese Theorie vor Augen hältst merkst du auch hier, dass „positiv“ und „negativ“ nicht mit „gut“ oder „schlecht“ zu werten sind.

Welche Belohnung ist also die Richtige?
Eine Belohnung hat zum Ziel, das Verhalten eines Pferdes zu verstärken. Eine Belohnung muss keinesfalls immer nur als Futterlob ausfallen. Es gibt viele andere Möglichkeiten, dein Pferd durch Belohnungen zu bestärken und zu motivieren. Für unsere Pferde als Fluchttiere sind zum Beispiel Entspannung und Ruhe ein sehr wichtiges und überaus belohnendes Mittel. Der Zustand, sich beim Menschen sicher fühlen und entspannend zu können und nicht mehr auf Gefahren achten zu müssen, ist oft unterschätzt und sehr wertvoll. Diese Entspannung können wir unserem Pferd sogar induzieren, indem wir ihm zum Beispiel beibringen, entspannt den Kopf zu senken und dies mit einer Pause verbinden. Damit orientieren wir uns auch wieder an der Natur des Pferdes, in der Pferde auch mit entspannt gesenktem Kopf dösen oder fressen.
Wenn wir Futterlob einsetzen, um mit unserem Pferd Dinge zu erarbeiten, ist es wichtig, dass das Pferd das Futterlob immer mit der Aufgabe und nicht nur mit dem Menschen verknüpft. Ist dies nicht der Fall, wird das Pferd seine Aufmerksamkeit immer mehr auf den Menschen und damit das Futter legen, statt sich auf die gestellte Aufgabe zu fokussieren. Daher macht es bei manchen Übungen durchaus Sinn, das Futterlob mit Pausen und Entspannungen zu ersetzen, um Verwirrungen und falsche Verknüpfungen zu vermeiden.
Erfahre noch mehr...
Willst du noch mehr über das Lernverhalten deines Pferdes erfahren? In meinem Buch "Mein Pferd kann's!" findest du neben der Theorie kreative Aufgaben, um das Lernen deines Pferdes erfolgreich zu fördern.