Jedes Pferd ist einzigartig – und genauso einzigartig sind die Herausforderungen und Fragen, die im täglichen Umgang entstehen. Warum wird mein Pferd in bestimmten Situationen nervös? Wie kann ich es besser unterstützen? Welche Signale sende ich unbewusst aus?
Diese und viele weitere spannende Fragen habt ihr mir auf Instagram gestellt – und ich freue mich, sie hier für euch zu beantworten! In diesem Beitrag gehen wir gemeinsam tiefer in die Welt der Pferdekommunikation, des Lernverhaltens und der feinen Signale ein, die oft übersehen werden.
IVK Sprechstunde
Um euch, euren Pferden und all den Fragen, die mich täglich erreichen, gerecht werden zu können, habe ich mich dazu entschlossen, Live-Sprechstunden nach Themengebieten anzubieten.
Bei diesen Sprechstunden werdet ihr die Möglichkeit haben, mit mir in direkten Austausch zu gehen.
Denn mir ist auch bewusst geworden, dass durch eine schriftliche Antwort nicht alle Facetten und Hintergründe eurer Fragen zur Geltung kommen können.
Frage #1:
Hallo ☺️ ich habe habe einen fast 2 jährigen Wallach, der in letzter Zeit anfängt, wenn wir im Gelände spazieren gehen, einfach stehen zu bleiben und ich ihn keinen cm mehr vorwärts bekomme. Ich habe jetzt im Winter immer meinen 26 Jährigen dabei, aber auch da macht er es dann. Ich versuche ihn dann aus der Situation zu „Hebeln“, da ziehen es bei ihm nur noch schlimmer macht und er dann auf stur stellt. Manchmal brauchen wir eine halbe Ewigkeit aus der Situation rauszukommen, weil ich ihn immer nur einen Schritt vorwärts bekomme. Wenn er stehen bleibt und nicht mehr gehen möchte und ich dann die Richtung ändere (den Weg einfach zurückgehe) kommt er auch ohne Probleme wieder mit. Es sind alles Wege, die wir schon oft gegangen sind.
Antwort #1:
Wenn der Rückweg gut “funktioniert” scheint es mir, als ob er nicht motiviert ist von Zuhause/der Herde wegzugehen. Das kann unterschiedliche Ursachen haben.
Die Frage ist: warum geht es ihm „Zuhause” besser? Ist es etwas Körperliches? Hat sich in der Herdenstruktur etwas verändert?
Hat sich zwischen euch etwas verändert?
Es ist also weniger ein „Erziehungsproblem” sondern die Ursachenforschung ist hier wichtig.
Übungen, die du machen kannst: gehe Zuhause auf dem Platz Tempowechsel mit ihm - nutze deine Körpersprache (mehr Energie für schneller und weniger Energie für langsamer). Diese Übung rufst du dann auf zunächst kleinen Strecken im Gelände ebenso ab.
Frage #2:
Wie verhalte ich mich bei intensivem Bettelverhalten: absuchen, okay. Das immer wieder stupsen, immer energischer werden. Ich möchte ihm zeigen, dass das nicht okay ist, wenn er mich schubst. Möchte aber nicht „körperlich“ werden….
Antwort #2:
Hier sind “Raumübungen” essentiell. Du darfst auf deine Sicherheit und deinen Raum um dich herum bestehen.
- Lass die Hinterhand ein paar Tritte weichen, mit Hilfe von Fokus auf die Hinterhand und Körperenergie
- Lasse Dein Pferd seitwärtstreten mit Fokus auf den Rumpf.
- Lasse die Schulter deines Pferdes ein paar Tritte überkreuzen, indem du einen Halbkreis vor deinem Pferd gehst, mit Fokus auf die Schulter
- Lasse dein Pferd ein paar Tritte mit Fokus auf die Pferdbrust rückwärts weichen
Achte bei allen Übungen darauf, das danach mehr Raum zwischen euch entstanden ist, als zu Beginn der Übung
Frage #3
Folgende Situation von gestern: eine Freundin und ich waren mit unseren Pferden spazieren. Wir laufen dabei auch immer mal wieder an Pferden auf Weiden und Paddocks vorbei. Da guckt mein Pferd schon immer sehr doll und ist sichtlich nervös. Auf dem Rückweg sind wird dann noch 2 Pferden auf einem Paddock begegnet, die sehr energetisch waren (oder wie auch immer man es nennen mag). Sie kamen beide zum Zaun galoppiert und haben sehr neugierig geschaut. Damit war mein Pferd dann überfordert. Sie ist sehr gestresst um mich gekreist und ich hatte keine Chance sie ruhiger zu bekommen. Losreißen tut sie sich zum Glück nicht, sie zieht generell nicht am Strick oder der Longe. Das Pferd meiner Freundin stand übrigens mit gesenktem Kopf zwischen meinem Pferd und den Pferden auf dem Paddock. Leider hat sich die Ruhe nicht übertragen. Letztendlich sind wir nicht weiter am Paddock lang gegangen sondern umgedreht und in eine Seitenstraße abgebogen. Da war sie dann auch wieder ruhig. Wie kann ich meinem Pferd in solch einer Situation helfen?
Frage #4
Meine Stute reagiert auch ungehalten, wenn wir an einer Koppel mit anderen Pferden vorbei laufen wollen oder sie sieht manchmal Dinge, wo ich Nix null sehe und steigert sich da rein und reagiert auf nichts mehr kein seitwärts schicken Kopf senken, was sonst alles wie im Schlaf klappt. Bin letztens in volten nach Hause gelaufen, weil ich nicht mehr wusste, wie ich sie vom nicht vorhandenen Grusel Objekt weg bekomme. Ich weiß auch, dass Pferde sehr gut riechen können vielleicht war da auch irgendwas.
Antwort #3 & #4:
Diese beiden Fragen sind recht ähnlich. Wenn ihr mit euren Pferden im Gelände seid, und ihr begegnet anderen Pferden, kann es eure Pferde verunsichern und aus der Ruhe bringen.
Warum ist das so?
In der Natur könnten sich Pferde in einer freien Begegnung direkt austauschen, dies ist natürlich in unserer Obhut nicht möglich und auch nicht gewollt.
Was können wir aber in solch einer Situation tun?
Übe zu Hause Sicherheit im Umgang mit deinem Pferd. Das bedeutet, dass alle grundlegenden weichenden, also raumfordernden, aber auch raumgebenden Übungen, in denen du dein Pferd wieder freundlich zu dir bittest, gezielt geübt werden. Wenn dies dann zu Hause klappt, ist es wichtig, die Anforderung im Training (also zu Hause im Komfortbereich) zu erhöhen.
Dafür kannst du verschiedene Schreck-Hindernisse integrieren, aber auch in verschiedenen Energiestufen die Übungen ausführen.
Du bereitest dich also auf die “Prüfungssituation” vor, die dann z.B. im Gelände, stattfindet.
Das Kopfsenken ist eine wichtige Entspannungsübungen, die dann auch in verschiedenen Schwierigkeitsgraden geübt werden darf. Wecke dein Pferd im Training also freundlich auf und gebe gute positive Energie in eurer Arbeit - dann pausierst du direkt und lässt den Kopf deines Pferdes senken und gehst gemeinsam mit ihm in die Entspannung.
Dieser Wechsel wird euch helfen, auch in schwierigeren Situationen noch Zugriff auf die Aufmerksamkeit eures Pferdes zu haben. Und wenn möglich, die zu Hause trainierte Durchlässigkeit, auch in schwierigen Situationen abzurufen.
Frage #5
Mein Pferd testet seine Grenzen, glaube ich … wenn ich longiere, hört so toll auf meine Stimme und reagiert direkt auf Körpersprache. Seit zwei Tagen „möchte“ er die Hand nicht mehr wechseln, bis hin zum: ich breche mitten im Trab ab und gehe in die andere Richtung (das allerdings nur im roundpen) an der Longe ist dann doch mehr Verbindung und es läuft… ich habe Angst, dass ich ihm das angewöhne, da ich eben zu „lieb“ bin… ich versuche das jetzt auch energischer… hab die Longierpeitsche als verlängerten Arm und setze diese dann am Boden ein … nun, wir üben… ich übe … möchte alles wirklich friedlich machen.
Antwort #5
Wichtig wäre hier abzuklären, ob sich an der körperlichen Situation deines Pferdes etwas geändert hat.
Im Verhaltenstraining ist die Ursachenforschung immer essenziell:
- Warum möchte er nicht auf die andere Hand wechseln?
- Hat dies eine körperliche Ursache, die plötzlich aufgetreten ist oder die sich schleichend gesteigert hat? Hat er dann herausgefunden und gelernt, dass eine Möglichkeit besteht die andere Seite zu wählen?
Dies ist aus der Ferne schwer zu beantworten und muss im Gesamtkontext begutachtet werden. Es geht nicht darum, “lieb” oder “böse” zu sein - denn wir machen als gute Pferdemenschen alles aus Liebe - sondern im Training über die eigene Körpersprache, die Energie modulieren zu können und Fokus und Raum gezielt aber freundlich und durchlässig zu erarbeiten.
Erarbeite auch hier die schon zuvor erwähnten Raumübungen über Hinterhand, Seite, Schulter und Brust. Dann kanst du zunächst aus der Nähe und dann auf immer größerer Distanz dein Pferd über Fokus und Energie steuern.
Frage #6
Warum zeigt eine ranghohe Stute tageweise starkes, tageweise kein 'Klebeverhalten', wenn ihre 'Freundin' die Weide verlässt? Was geht in einem Pferd vor und gibt es etwas was sie in ihrer Gelassenheit/Selbstvertrauen stärken kann? Gönnt man einem Pferd so eine Beziehung? Oder ist es kritisch zu sehen aufgrund des Stressverhaltens und von jetzt auf gleich auf und ab Gerenne am Zaun?
Antwort #6
Freundschaften und nahe Beziehungen zwischen einzelnen Herdenmitgliedern kommen auch in der Natur vor und sollte man dem Pferd unbedingt zugestehen. Ist die Herde besonders klein? Dann fixieren sich manche Pferde besonders auf andere. Je nach Tagesform kann es unterschiedlich sein, wie unsicher das eine Pferd ohne das andere ist, oder bei einem ranghohen Pferd, wie intensiv der Beschützerinstinkt gegenüber dem anderen ist. Bei Stuten kann das z.B. hormonell - Also zyklusbedingt - verändert sein. Bei zu hohem Stressverhalten, sollte man das zurückbleibende Pferd sinnvoll und positiv beschäftigen.
Frage #7
Warum reagiert meine Stute so?
Sie ist 16 Jahre alt, ist ranghoch und in der Herde (bei Rosse) auch mal hengstig. Gynäkologisch alles abgeklärt und unauffällig. Ist manchmal von 0 auf 100 aggressiv gegenüber anderen Stuten, prescht los und verscheucht sie (Verletzungen gab es noch keine). Sie stand im Letzten Stall 4,5 Jahre in einer ausgewogenen geschlechter gemischten Herde ohne Probleme. Kaum waren mehr Stuten als Wallache in der Herde, kam das oben beschriebene Verhalten? Dadurch wurde sie einzeln gestellt und nun steht sie in einer Paddockbox mit Zaunnachbarn.
Antwort #7
Dies klingt grundsätzlich schon nach einem hormonellen Problem. Erwäge, ob du ihr noch etwas für die hormonelle Balance geben kannst, sprich dafür mit deiner Tierarztin oder deiner Tierheilpraktikerin. Je nach Zusammensetzung der Herde kann sich ebenso Stress untereinander bilden. Wir als Mensch setzen die Herde zusammen, die Pferden suchen es sich leider nicht aus. Es scheint so, als war die neue Herdenkonstellation und das Geschlechterverhältnis nicht ideal für dein Pferd. Das kann an der grundsätzlichen Umstellung, oder an den individuellen Herden Mitgliedern liegen.
Versuche sie mit einem oder mehreren Wallachen zu vergesellschaften, damit sie aus der Einzelhaltung herauskommt.
Hier wird weiter gelernt:
In meinem Buch "Mein Pferd kann's!" findest du neben der Theorie kreative Aufgaben, um das Lernen deines Pferdes erfolgreich zu fördern.