Damit Tierarztbesuche und nötige Behandlungen für alle Beteiligten sicher und stressfrei verlaufen, können ganz viele Situationen mit einem Pferd geübt werden, bevor es schlechte Erfahrungen macht und die medizinische Versorgung negativ erlebt. Unter dem Begriff "Medical Training" verstehen wir Übungen, mit denen wir durch Wiederholungen, bewusste Körpersprache und gutes Timing, dem Pferd dabei helfen, den Tierarztbesuch oder Behandlungen positiv zu besetzen.
Auch wenn es sicher ideal ist, diese Übungen präventiv durchzuführen, bevor das Pferd negative Erfahrungen beim Impfen, der Wurmkurgabe oder dem Desinfizieren von Wunden gemacht hat, ist es durch das gezielte Medical Training auch möglich, diese wieder positiv zu überschreiben. Und einen schönen Nebeneffekt hat das Medical Training außerdem: dein Pferd lernt, dir auch in schwierigen oder mitunter unangenehmen Situationen zu vertrauen. Außerdem übt ihr, dass es besser auf deine Signale und deine Körpersprache achtet und du diese Signale und dein Timing immer mehr verfeinerst und verbessert.
Sobald wir ein Pferd in unser Leben geholt haben, sind wir dafür verantwortlich, dass es ihm gut geht und auch medizinisch versorgt werden kann. Mit dem Medical Training trägst du also aktiv zur Gesunderhaltung deines Pferdes bei.
Das Drama passiert oft im Kopf
Tierarztbesuche, die nicht für alle Beteiligten entspannt verlaufen, verursachen nicht nur Stress sondern auch Gefahren. Hat das Pferd Angst, tritt, reißt den Kopf hoch oder lässt sich nicht anfassen oder einfangen können sehr gefährliche Situationen entstehen.
Dabei ist es oft nicht einmal die Untersuchung oder Behandlung an sich, sondern die bereits konditionierte Erwartung auf Stress, die den Pferden Angst bereitet. Das passiert natürlich oft einfach ungewollt, lässt sich aber glücklicherweise auch wieder umkehren, damit Tierarztbesuche auch wieder entspannt von Pferd und Mensch erlebt werden können.
Mit dem richtigen Training kannst du durch Wiederholungen, bewusste Körpersprache und gutes Timing Situationen, die beim Tierarztbesuch auftreten, üben und positiv besetzen.

Deine Körpersprache entscheidet
Du weißt, dass unsere Pferde sehr sensibel und fein auf unsere Körpersprache reagieren und unsere eigene Entspannung und Anspannung sehr gut wahrnehmen und auch annehmen. Dementsprechend legt eine entspannte Annäherung an dein Pferd schon eine wichtige Basis für ein angenehmes folgendes Geschehen, sei es der Tierarztbesuch oder eine notwendige Behandlung. Deine Körpersprache entscheidet darüber, wie du auf dein Pferd wirkst und damit kannst du direkt Einfluss auf das Ergebnis nehmen.
Meine Hinweise zur Annäherung:
1. Achte auf eure Sicherheit: Am Anbindeplatz sollten keine Gegenstände herumstehen, über die dein Pferd stolpern oder in die dein Pferd treten könnte, falls es sich erschreckt. Nutze außerdem sicheres Equipment, also ein passendes Halfter, Handschuhe...
2. Schule deinen Blick: Behalte die Mimik und Gestik deines Pferdes immer im Auge. Wann ist es entspannt? Wann beginnt die Anspannung (erkennbar an einer angespannten Körper- und Gesichtsmuskulatur)
3. Reflektiere deine eigene Stimmung: Wenn du selbst aufgeregt bist, dass der Tierarzt kommt, ist deine Anspannung schon ein Alarmzeichen für dein Pferd, mit dem du es unbewusst auf die Situation konditionierst, die folgen wird. Deine Anspannung wird damit sehr schnell zum Vorboten für den Tierarztbesuch.
4. Nähere dich deinem Pferd entspannt: Da dein Pferd deine Körpersprache wahrnimmt wird es sein Verhalten wie in der Herde über deine Gestik, Mimik und Körperspannung synchronisieren.
In diesem Video habe ich noch ein paar Tipps und Übungen für dich, um dich und dein Pferd zu entspannen:
Die allgemeine Untersuchung
Es liegt in der Natur des Pferdes, dass es Stellen am Körper gibt, die es schützt. Es kann aber auch aus schlechten Erfahrungen gelernt haben und lässt sich deshalb an manchen Stellen nicht gern berühren. Dass sich dein Pferd überall anfassen lässt, ist für die allgemeine tierärztliche Untersuchung jedoch sehr wichtig.
Durch die operante Konditionierung und Gewöhnung können wir langsam Vertrauen und Akzeptanz aufbauen, um auch sensible oder empfindliche Körperstellen zu berühren, ohne, dass unser Pferd darauf mit Stress reagiert. Dieses Vertrauen ist auch besonders wichtig, sobald ein Schmerz auftritt und zum Beispiel eine Wunde versorgt werden muss.
Mit welchen Übungen du dein Pferd auf die Untersuchungen vorbereiten kannst, siehst du in diesem Video:
Spritzentraining
In manchen Situationen und schon bei der allgemeinen Gesundheitsvorsorge ist es unausweichlich, dass das Pferd mit Spritzen in Berührung kommt. Impfungen, Sedierungen und die Blutabnahme bereiten Mensch und Pferd oft schon im Vorfeld Stress - das muss nicht sein.
Das Kopfsenken ist eine klasse Vorübung, um dein Pferd auf solche Behandlungen vorzubereiten. Dadurch entspannt sich Pferd - und insbesondere die entspannte Hals- oder Brustmuskulatur hilft dabei, dass die Spritze weniger wehtut. Auch bei dieser Übung spielt auch deine Körpersprache eine essentielle Rolle. Das Pferd synchronisiert sich unweigerlich mit dir. Achte also selbst darauf, entspannt zu bleiben und übe mit deinem Pferd allein in einer gewohnten, ungefährlichen Umgebung.
In diesem Video bekommst du von mir die besten Übungen erklärt:
Fiebermessen
Der Griff zum Fieberthermometer sollte weder für dich noch für dein Pferd Stress bedeuten. Durch das richtige Training und vorbereitender Übung kannst du sicherstellen, dass du auch im akuten Krankheitsfall sicher und stressfrei die Körpertemperatur messen kannst.
Die Körpertemperatur deines Pferdes kann wichtige Hinweise auf den Gesundheitszustand geben. Damit das Fiebermessen zu einer stressfreien Routine wird, können wir das ganz in Ruhe üben und vorbereiten.
Auf diese Punkte solltest du beim Üben besonders achten:
1. Sicherheit: Wähle einen sicheren Platz zum anbinden. Auch wenn dein Pferd ausweicht sollte es keinesfalls über Schubkarren, Putzkästen oder andere Gegenstände stolpern.
2. Annäherung: Nähere dich deinem Pferd passiv, das heißt mit deinen Körper-Rückseiten und streiche dein Pferd vom Hals über den Rücken bis zur Hinterhand ab, statt es direkt zu überfallen.
3. Entspannung: Behalte eine entspannte Körperhaltung: ein gesenkter Blick, gesenkte Schultern und Arme, eine ruhige Atmung und Stimme signalisieren deinem Pferd deine eigene Entspannung.
4. Beobachtung: Achte immer auf die Mimik und Körperspannung deines Pferdes.
5. Achtsamkeit: Mache lieber kleine Schritte in den Übungen, insbesondere, wenn dein Pferd beim Fiebermessen bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat.
Wie ich das Training genau gestalte, siehst du in diesem Video:
Rund um das Maul
Die Maulpartie eines Pferdes ist ein sehr empfindliches Körperteil, das es gerne schützt. Viele notwendige Medikamente wie die Wurmkur werden über eine Maulspritze geben, deshalb ist es von Vorteil, wenn dein Pferd sich dort auch ohne Scheu anfassen lässt.
Durch die Desensibilisierung können wir unsere Pferde ganz entspannt auf die Maulspritze aber zum Beispiel auch auf das Inhalieren vorbereiten. Wie ich bei der Gewöhnung vorgehe und was bei der Berührung in der Maulpartie wichtig ist, siehst du in diesem Video:
Sprays und Sprühflaschen
Du kennst sicher auch das ein oder andere Pferd, dass schon allein vom Klackern der Silberspraydose große Augen bekommt und lieber die Flucht antreten würde, statt sich in Ruhe und entspannt versorgen zu lassen. Oder das Pony, das sich im Sommer nur unter großem Aufwand mit dem Fliegenspray einsprühen lässt. Das muss nicht sein!
Auch beim Training mit Sprays und Sprühflaschen können wir mit der Desensibilisierung arbeiten und dafür sorgen, dass die Wundversorgung und das Einsprühen zunehmend entspannter für das Pferd wird. Wie ich beim Training mit der Sprühflasche und der Spraydose vorgehe und wie du dein Pferd an das Thema heranführen kannst, erkläre ich dir in diesem Video:
Meine Tipps für euer Medical Training:
Pferde sind ganz hervorragende Lerner und können durch ein gutes, durchdachtes Medical Training sehr gut darauf vorbereitet werden, bei Behandlungen oder Untersuchungen kooperativ und entspannt zu bleiben. Die Übungen des Medical Training können anstrengend sein, insbesondere für Pferde, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben. Doch ein kleinschrittiges und geduldiges Training zahlt sich nicht nur für dein Pferd, sondern auch für dich aus, damit du in Zukunft einem Tierarztbesuch oder einer notwendigen Behandlung ganz entspannt entgegensehen kannst.
Hier noch einige Tipps für euch:
1. Um eine Angst zu überwinden, benötigt ein Pferd viele positive Wiederholungen.
2. Die Übungen des Medical Trainings können anstrengend für dein Pferd sein. Übe deshalb nie zu lange und wiederhole die Übungen nur 3- bis 4-mal um dann eine Pause zu machen, in der du und dein Pferd entspannen können.
3. Versuche, dich in dein Pferd hineinzuversetzen. Dein Pferd will weder dich noch deinen Tierarzt ärgern.
4. Schule deinen Blick um genau zu erkennen, ob dein Pferd in den Übungen noch entspannt oder schon angespannt ist.
5. Achte auf dich, deine Körperhaltung und deine Ausstrahlung. Dein Pferd wird deine eigene Anspannung erkennen und sich auch daran orientieren.
6. Baue deine Übungen vom Leichten zum Schweren auf.
7. Übe dort, wo sich dein Pferd wohl und sicher fühlt.
8. Bleibe entspannt dran, wenn dein Pferd einem Behandlungsgegenstand oder Berührung ausweicht, damit sich das Ausweichen nicht als Lösung etabliert.
9. Löse Druck oder Stresssituationen nach wenigen Sekunden wieder auf. Zwingst du dein Pferd, eine Behandlung zu ertragen, wird es sich die Situation negativ assoziiert abspeichern.
Hier wird weiter gelernt:
In meinem Buch "Mein Pferd kann's!" findest du neben der Theorie kreative Aufgaben, um das Lernen deines Pferdes erfolgreich zu fördern.