In den vergangenen Monaten ist einiges passiert. Durch einige Umstrukturierungen in meinem Unternehmen, kann ich mir aktuell den Raum und die Zeit nehmen in erster Linie mit den Pferden zu arbeiten. Facharbeitspferd Ciel ist dabei weiterhin im Fokus und die erarbeiteten Inhalte werden gefestigt und ausgebaut. Unter entsprechender Anleitung ist es inzwischen gut möglich, dass verschiedene Therapeutinnen in ihren Therapien mit Patient:innen Ciel putzen und satteln, ohne dass sie Abwehrverhalten zeigt. Es wird jedoch auch da immer wieder deutlich, wie wichtig es ist die Dinge zu beachten, die im Leitfaden aufgeführt sind: Ruhe, langsame Bewegungen, die Ciel einschätzen kann, vorsichtiges und schrittweises Gurten, Absenken lassen des Kopfes, Raum geben und ihr die Zeit lassen, die
sie braucht. Ciels direkte Art und ihre ungefilterte Rückmeldung, sind zwar für manche Beteiligte anfangs eine Herausforderung, aber doch ein absoluter Segen, denn sie beschönigt nichts und es ermöglicht eine sofortige Korrektur am eigenen Verhalten.
Ich habe außerdem mit unserem Welsh B Rapunzel gearbeitet. Als sie vor 3 Jahren zu uns kam, kannte Rapunzel wenige Außenreize durch reine Boxenhaltung im Winter und nur im Sommer stundenweise Weide. Ansonsten wurde sie als Schulpony eingesetzt und hatte zwei Fohlen. Durch ihre kleine Größe (1,25 m), war es ihr in der Box nicht möglich über die Gitterstäbe zu schauen, was sie noch einmal mehr von der Außenwelt abschirmte. Rapunzel
war der Therapie gegenüber generell immer aufgeschlossen. Es gab jedoch zu Beginn einen Vorfall, dass sie über einen Reiz an der Seite so in Panik geriet, dass sie völlig in den Fluchtmodus schaltete und Todesangst zu haben schien. Daher wurde mit ihr bereits zu dieser Zeit intensiv gearbeitet, um ihr den Stress mit bestimmten Reizen zu nehmen und ihre Reizschwelle zu erhöhen. Nachdem gute Fortschritte beobachtet werden konnten, hatte Rapunzel vor ein paar Monaten einen Unfall mit einer Reiterin im Gelände, der den Trigger leider wieder angesprochen hat und nun das alte Verhaltensmuster erneut auftritt. Konkret
hatte die Reiterin den Sattelgurt nicht festgezogen und war infolgedessen runtergerutscht und Rapunzel ist ohne Reiterin mit dem Sattel unter dem Bauch panisch nach Hause gerannt. Der nicht verschwindende auslösende Reiz in Kombination damit, dass sie auch noch während ihrer Flucht in den herunterhängenden Steigbügel getreten ist, hatten einerseits eine mehrwöchige Lahmheit zur Folge. Andererseits ist seitdem das Satteln ein großes Problem (der Moment, in dem der Sattel von der Seite kommt), wenn der Sattel oder andere Sachen neben ihr am Putzplatz hängen, die herunterfallen könnten und wenn bei Reiten das Therapiekind ins Rutschen gerät oder Dinge auf dem Boden liegen. Damit war es für Rapunzel nicht mehr möglich entspannt in der Therapie eingesetzt zu werden. Es wurden ein paar Rahmenbedingungen verändert, dass Rapunzel in der nächsten Zeit in einer Box und nicht am Putzplatz fertig gemacht wird und sich ihr mit dem Sattel passiv genähert wird und alles mit Ruhe und Zeit geschieht. Kinder, die auf ihr reiten, müssen einen eher ruhigen Charakter haben und einen möglichst mittigen und ruhigen Sitz haben. Mit Rapunzel wird
zunächst nur im Schritt gearbeitet und die Kinder sollen keine Matschhosen o.ä. tragen, die rascheln und zu vermehrtem Rutschen führen. Im Training wurde mit Rapunzel das Absenken des Kopfes auf ein Klopfsignal erarbeitet und Durchlässigkeitsübungen mit Raumarbeit durchgeführt. Sie zeigt sich sehr lernbegierig und arbeitet motiviert mit. Sie ist aber auch schnell getriggert und zeigt Schreckreaktionen (zum Glück) schnell an, sodass man gut darauf reagieren kann. Auch die Putzplatzsituation wurde mit Rapunzel trainiert, hier wird immer nur für ganz kurze Sequenzen gearbeitet, da die räumliche Enge und hohe
negative Erwartungshaltung ein kleinschrittiges Vorgehen erforderlich machen. Auch hier sind bereits Fortschritte zu sehen, sie kann 2-3 Minuten am Putzplatz entspannt stehen. Im nächsten Schritt werden die Mitarbeiterinnen in das neue Vorgehen eingewiesen, um den Fortschritt in den Alltag zu transferieren.
Die Leitfäden der anderen Pferde sind in Arbeit und können bald veröffentlicht werden. Es ist geplant das Vorgehen über das DKThR zu publizieren und andere Therapiebetriebe anzuregen, das Pferdewohl in ihren Einrichtung noch mehr in den Fokus zu rücken.
Der Spätsommer ist auf Gut Chattengau immer die Zeit des Umbruchs.
Die Praktikanten des Vorjahres beenden ihre Zeit bei uns. In diesem Jahr haben wir eine Freiwillige aus dem FÖJ Programm verabschiedet. An ihre Stelle sind zwei neue FÖJler gerückt und es hat außerdem eine neue Fachoberschülerin ihre Arbeit bei uns aufgenommen, die drei Tage in der Woche im Betrieb
verbringt.
Nun gilt es, die bisherigen Strukturen und die Wahrnehmung für das Pferdeverhalten zu schulen und zu etablieren.
Die vorrangigen Ziele dabei sind:
- Sicheres Erkennen von Auffälligkeiten im Pferdeverhalten
- Sicheres Erkennen von Auffälligkeiten in der Pferdegesundheit
- Verständnis für die Zusammenhänge zwischen psychischer und physischer
Gesundheit des Pferdes - Ggf. Unterstützung der Trainingseinheiten mit den Pferden
Um diese Ziele zu erreichen, werden Termine festgesetzt, in denen ich einzeln und in der Gruppe mit den Praktikanten arbeite und sie mit Beobachtungsaufträgen und theoretischem Wissen schule sowie den Übertrag in die Praxis zeige. Anschließend sollen sie sich ausprobieren.
Da insbesondere Ciel sehr sensibel auf Veränderungen reagiert, wurde sie für die ersten Übungseinheiten genutzt. So berichtete ich über den aktuellen Stand bei Ciel und ihre grundsätzlichen Schwierigkeiten beim Putzen, Satteln und Aufsteigen und wie ich dem begegnet bin. In einer Selbsterfahrung wurden die verschiedenen Verhaltensweisen des Menschen und die entsprechende Reaktion des Pferdes beobachtet. Dies war für die Praktikanten sehr aufschlussreich und eine gute Lernerfahrung. Im Verlauf der nächsten Woche wurde Ciel zunehmend von den Praktikanten selbstständig für die Therapie vorbereitet und in der Hippotherapie geführt.
Aus den Erfahrungen kam bei mir die Überlegung auf auch für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter einen Leitfaden zu entwickeln, um eine größere Standardisierung
sicherzustellen.
Eva Theune
Logopädin, B.Sc.
Fachkraft in der logopädischen Behandlung mit dem Pferd (DKThR e.V.)
Geschäftsführerin von Gut Chattengau
Pferdeverhaltenstrainerin (IVK)